Mongolei

"Heimat, das ist: jederzeit willkommen"

Zoljargal Gansukh, 29, geboren in Zuunmod, Mongolei, hat dort zuletzt in der Hauptstadt Ulan-Bator 2 Semester Tourismusmanagement studiert, bevor sie Ende 2008 nach Deutschland kam. Das war Voraussetzung, um hier ein Studium aufnehmen zu können.


Was magst du besonders an deiner Heimat?

Die Action. Es passiert immer etwas Spontanes am Tag, z.B. triffst du zufällig Leute und dann beschließt man:  jetzt gehen wir essen oder shoppen. Wenn du hier einen Freund oder eine Freundin zufällig auf der Straße triffst, geht man niemals irgendwohin zusammen weiter. Man unterhält sich kurz und sagt dann tschüß. In meinem Land - wenn wir uns zufällig  treffen, dann hängen wir weiter zusammen rum (lacht).  Das Leben dort birgt mehr Überraschungen… Ja,  und abends ist es aktiver, es gibt immer einen Anlass zum Ausgehen. Obwohl du nichts machen möchtest, deine Freunde lassen dich nicht in Ruhe. Heute hat der Geburtstag, heute gibt´s da was zu feiern,… Hier kann man sagen: ich habe morgen eine Klausur oder einen Termin, ich kann nicht. Dort kann ich das nicht, keiner würde mich verstehen, sondern denken: Zolo ist bescheuert. Mittlerweile habe ich mich eingewöhnt, aber in meinen ersten paar Jahren habe ich das vermisst. Ich habe gedacht: ich bin hier in einer Box. Darin kann mich keiner finden und ich kann auch nicht rausgehen. Ich hab mich so isoliert gefühlt. 

Wie kam es dazu, dass du nach Deutschland gekommen bist?

Es gab ziemlich viele Antriebe. Erstens hatte ich ein paar Freundinnen, die schon hier als Au-Pair gewesen waren. Sie haben mich informiert: Du hast auch diese Möglichkeit als Au-Pair zu arbeiten, es ist schön und du brauchst erstmal keine Grundfinanzierung, du brauchst einfach nur dein Flugticket. Und dann später war ich in einem Sprachkurs und nachdem ich anfangen hatte, Deutsch zu lernen, hab ich meine Ambition noch weiterentwickelt. Ich habe mich entschieden, nicht nur Au-Pair zu sein, sondern auch zu studieren, obwohl ich damals weder Geld noch weitere Pläne hatte.

Was waren deine Vorstellungen von Deutschland bevor du hier hergekommen bist, hattest du Hoffnungen?

Ich wollte selbstständiger werden. Wenn ich in meinem Land geblieben wäre, hätte ich bestimmt einen Mann geheiratet, hätte jetzt Kinder. (lacht). Ich wollte das nicht damals. Ich wollte mich testen, schauen, wie weit ich gehen kann. Ich wollte wissen, was ich schaffen kann! Ich bin jetzt auf dem Weg, den ich wollte, aber ich habe ziemlich viel Zeit dafür gebraucht. Wenn ich zurückschaue denke ich manchmal: ich bin zu langsam, ich brauche viel zu viel Zeit. Ich bin bald dreißig und diese zwanziger Jahre sind einfach nur vorbei (lacht). Was habe ich geschafft? Es gibt ab und zu Tage, an denen ich mich so kritisiere.

Aber mittlerweile bist du bald fertig mit deinem Studium.

Ich studiere jetzt im vierten Semester Soziologie und Erziehungswissenschaft. Ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr fertig werde, mein Diplom in der Hand halte und dann nach Hause fliege. Du möchstest zurück in die Mongolei?  Erstmal nicht komplett. Ich war drei Jahre nicht zu Hause und habe überlegt, schon diesen Sommer nach Hause zu fliegen, aber jetzt ist es nur noch ein Jahr. Zuerst möchte ich mein Ergebnis sehen und mein Dokument in der Hand halten, etwas, das ich meinen Eltern zeigen kann. Wenn ich mein Diplom habe, dann möchte ich zwei Monate zu Hause einfach ausruhen.

Was bedeutet das Wort Heimat für dich?

Je länger ich hier bin, desto weniger fühle ich mich diesem Wort nahe. Heimat… also da, wo meine Eltern wohnen. Du hast eine distanziertere Haltung zu dem Begriff. Ja, ich hab da mal ab und zu drüber nachgedacht. Ich wohne hier alleine, ich hab keinen Kontakt zu anderen aus meinem Land. Vielleicht wird es deshalb bei mir immer weniger, Jahr für Jahr ist das Sehnen nach zu Hause weniger geworden. Heimat - ich kann sagen: jederzeit willkommen. Ich muss nichts erfüllen, keinen Papierkram oder irgendwelche Sachen. Zu Hause ist für mich aber, wo mein Bett ist. Das ist für mich zu Hause. Das ist für mich das Nr. 1 Gefühl. Ich bin immer sehr froh, wenn ich meine Haustür aufschließe und auf meinem Bett sitze! Ich habe ein ganz herrliches Gefühl: Oh, ich bin zu Hause. Das ist ein wirklich unvergleichbar schönes Gefühl.

Was gefällt dir an Rostock? Drei Dinge…

Die Stadt ist nicht so groß und man kann schnell alles von A-Z erreichen.  Und die Ostsee, ja: Nach der Arbeit am Strand barfuß gehen. Und drittens: mein Wohnheim. Ich wohne in der zehnten Etage und habe so einen schönen Ausblick von da oben. Ich mag es, morgens der Sonne zuzugucken, wenn sie aufgeht. Ich mag es, an meinem Fenster zu stehen und einfach nur nachzudenken.

Würdest du sagen, du hast hier gute Freunde gefunden? Auf jeden Fall. Duch mein Studium habe ich eine Freundin kennengelernt,  sie ist aus Russland. Wir verstehen uns super, studieren genau das Gleiche, sehen uns jeden Tag und wir haben die gleichen Ziele. Ich mag sie sehr. Ich bin total froh, dass ich sie habe.

Kannst du auch drei Dinge benennen, die du hier vermisst?

Überlegt länger… Eins hab ich: Shoppen gehen. Hier gibt´s etwas wenig Einkaufsmöglichkeiten. (lacht) Ich mag Shoppen. Im Vergleich mit Hamburg und Berlin ist Rostock ein bisschen klein, aber das ist auch gut so fürs Portemonnaie.

"Migrantiando" ist ja eine kulinarische Ausstellung, deshalb würde mich interessieren, was denn so dein Lieblingsessen ist…

Rindfleisch. Egal nach welcher Art – gebraten gekocht oder gedampft. Und Gemüse.

Gibt es etwas typisch Deutsches, das du magst?

Bratkartoffeln, die mach ich selber auch sehr gerne.

Hast du hier mal was probiert, was es in deinem Heimatland gar nicht gibt?

Oh natürlich, da gibt es sehr viel. Einfachstes Beispiel: Zucchini. Ich esse gerne Zucchini. Vielleicht gibt es sie mittlerweile auch in der Mongolei, aber für mich war es in Deutschland das erste Mal. Eigentlich waren viele Früchte und Gemüse für mich eine Überraschung, alle Salatsorten zum Beispiel.

Sind Unterschiede nur in der Küche zu finden oder siehst du auch Unterschiede zwischen den Kulturen oder zwischen den Menschen?

Ja, wenn ich mich mit meinen Freunden unterhalte, gibt es ne ganze Menge: „Das ist ja typische Deutsch“ … „Nee, das ist ja typisch…“ Aber wenn ich es jetzt so spontan sagen müsste…

Überwiegen denn die Gemeinsamkeiten oder die Unterschiede?

Ich glaube der Charakter ist auf jeden Fall anders. Ich denke da immer an den Zusammenhang – warum könnte es so sein? Zum Beispiel finde ich hier die Leute gebildeter, belesener. Und sie urteilen nicht so schnell

Als ich Au-Pair war, da habe ich auch ganz viel verglichen. In meinem Land ist es so: ein Kind, das brav ist, ruhig und nichts sagt, das ist ein gutes Kind. Hier ist es das Gegenteil. Hier muss das Kind frei sprechen, viele Fragen stellen, viel antworten und sich viel unterhalten - das ist gut. Ich finde das besser so. Ein Kind muss so sein, um im Kindergarten, in der Schule und an der Uni zurechtzukommen. Das hat mir bei mir sehr gefehlt, ich war sehr zurückhaltend. Ich versuche das zu ändern, aber es ist gar nicht so einfach. Zu Leuten  gehen und etwas fragen, etwas anbieten oder etwas vorschlagen… das ist für mich so schwer.

Die Kinder lesen hier auch so viele Bücher oder die Eltern lesen viel vor. Ich war so begeistert, als ich das erste Mal in meiner Gastkindes Zimmer geguckt habe. Es war für mich wie ein Kindergarten zu Hause. So viele Bücher und Spielzeug! Ich bin ein bisschen wieder ein Kind geworden. Den ganzen Tag waren wir in diesem Kinderzimmer zusammen und haben zusammen gespielt und Bücher gelesen.

Die Au-Pair-Zeit war für Zolo eine sehr schöne. Sie war bei einer Familie mit vier Kindern in der Nähe von Würzburg. Da sie wegen bürokratischer Vorschriften danach nicht sofort ein Studentenvisum bekommen konnte, bewarb sie sich zuerst für ein FSJ.

Während des FSJs, was hast du da gemacht?

Ich hab an der Rezeption der Jugendbildungsstätte Unterfranken gearbeitet. Das war für mich eine sehr schöne Erfahrung. Die Leute kommen dahin, um etwas zu lernen, z.B. Seminare oder irgendwelche Trainings zu organisieren und dort zu übernachten.

Als ich noch Au-Pair war, habe ich jeden Abend im Internet nach Möglichkeiten geguckt, was ich machen kann und dann habe ich diese Stelle der Caritas gefunden. Sie haben mir gesagt: Wir haben aber nur einen Platz frei und da musst du leider gut Deutsch sprechen. Damals hat die Frau, mit der ich gesprochen habe, gesagt: Ich kann dir drei Monate Zeit geben und dann gucken wir mal. Ich bin dann in drei Monaten wiedergekommen und sie war sehr beeindruckt. Sie hat gesagt: ich denke, du kannst jetzt mit den Ansprechpartnern in der Jugendbildungsstätte sprechen. Jetzt hängt alles von dir ab, ich kann dir die  Adresse geben, du kommst, stellst dich vor, mehr kann ich dir jetzt nicht sagen, aber du hast innerhalb von drei Monaten wirklich gut gelernt. Ich bin gekommen und wir haben uns etwa eine Stunde unterhalten, ich wusste damals gar nicht, dass das schon das Vorstellungsgespräch war. Wir haben uns so viel unterhalten und dann haben sie gesagt: Wir werden dir in drei Wochen eine Antwort geben. Wir haben bisher sehr viele Bewerber und wir müssen gucken, wer ein Jahr hier arbeiten kann. Ich habe gedacht, okay, wenn es so viele Bewerber gibt… Ich habe mir keine großen Hoffnungen gemacht. Aber dann, am selben Tag, nach zwei Stunden haben sie mich angerufen, nach zwei Stunden! Sie haben gesagt: Zolo, ich glaube, du passt sehr gut zu uns. Du hast den Platz! (lacht) Oh, das war so schön. Das war eine schöne Geschichte.

An das FSJ schloss sie zwei Semester Studienkolleg in Wismar an, um die deutsche Hochschulzugangsberechtigung zu erlangen.

Was macht dich glücklich?

Eigentlich macht mich vieles glücklich. Spezifisch: Wenn ich irgendetwas mache und dann das Ergebnis sehe. Das macht mich glücklich, z.B. meine Klausuren bestehe. An dem Tag kann ich fliegen, wirklich. Wenn ich für etwas hart gearbeitet und mir Mühe gegeben habe und wenn es geklappt hat, dann bin ich einfach tierisch glücklich.


Mongolische Nudelsuppe

Zutaten: (ca. 5 Portionen) · ¼ Weißkohl · 300 g Karotten · 1 Stange Porree · 3 Paprika in unterschiedlichen Farben · 1 Zwiebel · 800 g geschnetzeltes Rindfleisch · Öl  oder Butter|

Für die Nudeln: · 500 g Weizenmehl · ca. 1 Tasse Wasser 

 

Aus dem Mehl und dem Wasser einen Teig zubereiten. Der Teig sollte möglichst fest sein, auf keinen Fall flüssig. Der Teig wird dann mit einem Nudelholz sehr dünn ausgerollt und mit Öl oder Butter je nach Geschmack bestreichen. Nun den dünnen Teig zu einer Stange rollen und in Scheiben schneiden. Beim Kochen werden sich die Nudeln später „entfalten“.

Derweil das Gemüse putzen und schneiden, gemeinsam mit dem Rindfleisch anbraten. 100-150 ml Wasser hinzufügen, sodass der Topf- oder Pfannenboden ca. 2 Finger breit bedeckt ist. Die Nudeln obenauf tun, gut verteilen und ca. 10-15 Minuten dampfgaren. Danach alles vermischen.